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Wir stecken in einer Pro-Kopf-Rezession

Inflation ist schlecht. Wirtschaftswachstum ist ein Muss. Wehe, am Horizont zeichnet sich eine Rezession ab. Das Wort mag man schon gar nicht in den Mund nehmen. Lieber sagt man: Das R-Wort geht um.


Willkommen in der Welt der Ökonomen. Erlauben Sie Gopfried Stutz, ihre Andacht zu stören.


Zuerst zur Inflation und zur Frage, weshalb die Konsumentenpreise nicht schon längst gestiegen sind, nachdem die Notenbanken seit der Finanzkrise von 2008 die Märkte regelrecht mit Geld überflutet hatten. Nun, der eine Grund liegt in der zunehmenden Globalisierung. Die billige Importware aus Fernost und vor allem aus China drückt auf die Preise.


Weniger aus ökonomischen, vielmehr aber aus politischen Gründen sind manche zur Einsicht gelangt, dass tiefe Importwaren auch Schatten werfen und eine extreme Globalisierung nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Sie schafft Abhängigkeiten. Das ist problematisch. Deshalb findet heute eine leichte Deglobalisierung statt, was zum Schrecken der Ökonomen zu Preissteigerungen führt. Ist das wirklich so schlecht, Abhängigkeiten abzubauen?


Einen anderen Grund für die Preissteigerungen orten Ökonomen im ökologischen Umbau. Die längst fällige Abkehr von fossiler hin zu erneuerbarer Energie fordert enorme Investitionen. Ist das wirklich so schlecht, wenn man sich von der Abhängigkeit von Russland und den Golfstaaten lossagt? Ist es wirklich so schlecht, wenn man den CO2-Ausstoss zu reduzieren versucht? Der ökologische Umbau ist nicht zum Nulltarif zu haben. Ohne Preissteigerungen geht es nicht.


Zum Wirtschaftswachstum: Ökonomen rechnen mit einem Wachstum von rund einem Prozent. Damit bleibt die Schweiz statistisch von einer Rezession verschont. Wobei diese Zahl so oder so ein Schwindel ist. In den letzten Jahren ist es wiederholt vorgekommen, dass die Zuwanderung stärker angestiegen ist als das Bruttosozialprodukt. Das heisst: Pro Kopf hat das Bruttosozialprodukt abgenommen. Wir hatten so etwas wie eine Pro-Kopf-Rezession, ohne dass dadurch in unseren Köpfen eine kollektive Depression um sich gegriffen hätte.

Das Bruttosozialprodukt in der Schweiz wächst also zu einem wesentlichen Teil nur dank der uneingeschränkten Zuwanderung. Ob man das analog der SVP-Initiative vom Februar 2014 Masseneinwanderung nennen will, bleibt hier dahingestellt.


Also nochmals: Wenn das Bruttosozialprodukt abnimmt, also die Summe aller Waren und Dienstleistungen im Abnehmen begriffen ist, so nimmt der in Franken bemessene Wohlstand zumindest auf dem Papier ab. Das heisst aber nicht, dass die Lebensqualität jedes Einzelnen ebenfalls abnimmt.


Diese Kolumne, das sei auch noch erwähnt, habe ich zum Teil im proppenvollen Zug geschrieben. Wobei ich – im Unterschied zu anderen – immerhin nicht auf der Treppe sitzen musste.


Erschienen im SonntagsBlick am 1. Januar 2023


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