Wie weiter mit der BVG-Revision
- viertesaeule
- 16. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Mai 2022
Das vom Arbeitgeberverband unterstützte Gewerkschaftsmodell, das der Bundesrat telquel übernommen hat, dürfte auch in der Sozial- und Gesundheitskommission des Ständerats (SGK-S) keine Mehrheit finden. Das gleiche gilt für das Modell des Nationalrats, das die grosse Kammer in der zurückliegenden Wintersession gegen die Opposition der Linken durchgeboxt hat.
Die SGK-S ist aber mit Hochdruck daran, die Arbeiten voranzutreiben, damit die BVG-Revision in der Sommersession im Ständerat behandelt werden kann. Im Herbst findet die Abstimmung über die AHV-Revision mit der Anpassung des Frauenrentenalters statt. «Wir müssen den Frauen aufzeigen, mit was sie im BVG im Bereich der Teilzeitanstellungen und der Mehrfachanstellungen rechnen können», sagt Alex Kuprecht (SVZ, SZ).
Übergangsgeneration: 20 statt 15 Jahre
Kuprecht findet das Nationalratsmodell grundsätzlich gut. Es seien aber noch Korrekturen anzubringen. Er könnte sich vorstellen, die Rentenzuschläge aus abstimmungstaktischen Überlegungen von 15 auf 20 Jahre auszudehnen. Nur müssten diese mit einem Teil der Reserven finanziert werden, die für Rentenumwandlungsverluste angehäuft wurden.
«Es macht doch keinen Sinn, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusätzliche Lohnprozente vom koordinierten Lohn zu verrechnen, wenn Reserven von 14 bis 15 Mrd. Franken vorhanden sind», sagt Kuprecht. Nach seiner Einschätzung könnte man so jährlich problemlos 300 bis 400 Mio. Franken für Zuschläge der Übergangsgeneration einsetzen.
Die Ausdehnung der Zuschüsse auf 20 Jahrgänge ist auch für Josef Dittli (FDP, UR) ein Thema. Gegenüber Schweizer Personalvorsorge sagte er: «Wir werden nicht darum herumkommen, eine Lösung für 20 Jahrgänge vorzusehen, wenn Menschen mit kleinen Renten keine Einbussen verzeichnen sollen.»
Mit diesen 20 Jahren sind wir schon fast beim Modell von Melanie Mettler (GLP, BE). Doch die grünliberale Bernerin will die Zuschüsse mit 0,3 % des AHV-pflichtigen Lohns bis 860'400 Franken finanzieren, sofern die Auflösung von Reserven nicht ausreicht. Das dürfte für die Ständeratskommission kaum in Frage kommen. Dafür findet ein anderer Aspekt von Mettlers Modell Gefallen: Statt fünf Jahrgängen den gleichen Zuschuss zu gewähren, schlägt Mettler ein degressives Modell vor: Für den ersten Jahrgang gibts 200 Franken; für jeden folgenden Jahrgang 10 Franken weniger.
«Wir werden im Interesse der Mehrheitsfähigkeit der Vorlage Korrekturen gegenüber dem Nationalrat anbringen», meint Josef Dittli, «aber nicht indem man das Umlageelement gemäss dem Vorschlag des Bundesrats reinnimmt.» Es gebe Ideen zur Stärkung der Vorsorge der Frauen und für den systemkonformen Erhalt des Rentenniveaus für die Übergangsgeneration. Noch sei es aber zu früh, näheres dazu zu sagen. Und Hans Stöckli (SP, BE) versichert, dass das Klima in der SGK-S «sehr konstruktiv sei». Alle seien sie gewillt, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.
Teilliquidation und Freizügigkeit
Anderes Thema: Verlassen mehrere Personen die Vorsorgeeinrichtung, so können sie je nach Teilliquidationsreglement ihre Anrechte auf Wertschwankungsreserven und technische Reserven mitnehmen. Tritt ein einzelner aus der Pensionskasse aus, so gilt das Freizügigkeitsgesetz, und es besteht kein Anrecht auf Reserveanteile.
Mit dem Postulat 21.4428 «Teilliquidation und Freizügigkeit» ersucht SVP-Ständerat Alex Kuprecht den Bundesrat, Bericht zu erstatten, wie bei Kollektiv- oder Einzelaustritten eine gerechte Weitergabe von Wertschwankungsreserven und technischen Reserven erreicht werden und die Diskriminierung über das Freizügigkeitsgesetz geregelt werden könnten.
Der Bundesrat lehnt das Postulat ab und widerspricht: «Derzeit gibt es keine Diskriminierung von Versicherten in Bezug auf einen möglichen Anspruch auf Rückstellungen und Reserven», schreibt er in seiner Stellungnahme von Mitte Februar. Rückstellungen und Reserven würden nie individuell geteilt, weder bei Kollektiv- noch bei Einzelaustritten.
Auch in der Branche beurteilt man das Ansinnen Kuprechts skeptisch. Für Mia Mendez von der PwC wäre das ein massiver Eingriff in die Souveränität der Pensionskassen. Und wie der Bundesrat macht auch Mia Mendez darauf aufmerksam, dass sich Versicherte beim Übertritt in die neue Vorsorgeeinrichtung auch nicht in die Rückstellungen und Wertschwankungsreserven einkaufen müssten
Für Markus Hübscher, langjähriger Geschäftsführer der PK SBB und heute Mitglied diverser Anlageausschüsse, Verwaltungs- und Beiräte, macht die unterschiedliche Handhabe kollektiver und individueller Austritte durchaus Sinn. Es gehe darum, bei grösseren Veränderungen des Bestandes die Pensionskasse beziehungsweise die verbleibenden Versicherten zu schützen.
Doch Kuprecht wollte eigentlich nichts anderes einen Bericht und eine einheitliche Handhabe. Denn je nach Aufsichtsregion würden Leistungen im einten Fall kollektiv; im anderen Fall individuell berechnet.
Zivilstandsunabhängige Vorsorge
Vielversprechender sind Postulate, die der Bundesrat zur Annahme empfiehlt.
21.4430 ist ein solches Beispiel. Die FDP-Fraktion verlangt vom Bundesrat einen Bericht, in welchem er die Folgen einer individuellen, vom Zivilstand unabhängigen Altersvorsorge aufzeigt.
Eines kann man sagen, ehe die erste Druckerschwärze des Berichts trocken ist: Es würde vieles einfacher, besser verständlich und zumindest in der Administrierung billiger.
Der Bericht soll unter anderem ausloten, wie sich eine strikte Individualisierung der Leistungen in der beruflichen Vorsorge auf die Renten und auf die systemfremde Umverteilung auswirkt. Zu begutachten wären hier insbesondere die Hinterlassenenrenten. Diesbezüglich sind ja Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren bevorteilt. Man nennt dies Heiratsbonus.
Auf der anderen Seite gibt’s die Heiratsstrafe, indem die Summe der beiden Einzelrenten eines Ehepaars auf 150 Prozent einer maximalen Vollrente plafoniert wird. Derzeit sind das 3585 Franken pro Monat. Würden indessen die beiden AHV-Renten entplafoniert, kostete das die AHV 2,8 Mrd. Franken. Projeziert auf 2030 beträgt die Mehrbelastung 3,6 Mrd.
Nun verlangt aber das Postulat ein Modell, «dessen Gesamtkosten nicht höher liegen sollen als im bestehenden System.» Nun, wenn die Renten von Ehepaaren entplafoniert werden, müsste die milliardenschwere Mehrbelastung anderswo eingespart werden. Das ginge nur mit der Abschaffung der Hinterlassenenleistungen oder der Kürzung der Renten. Wenn dem so ist, wird es wohl beim Bericht bleiben.
Wir dürfen gespannt sein.
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