Wie geschiedene Witwen profitieren
- viertesaeule
- 6. Nov. 2022
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Es war im Oktober 2020, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einem Witwer aus Appenzell Ausserhoden recht gab und die Schweiz wegen Geschlechterdiskriminierung rügte. Die Schweiz zog das Urteil an die Grosse Kammer weiter. Sie bestätigte nun das Urteil.
So dürfte mittlerweile allen Interessierten bekannt sein, dass Witwer nicht mit den gleichen Hinterlassenenleistungen rechnen können wie Witwen. Ganz vielen dürfte aber weiterhin fremd sein, dass nicht nur kinderlose Witwen, sondern sogar geschiedene Witwen Anspruch auf eine Rente ihres verstorbenen Ex-Mannes haben - und zwar von der 1. Säule, der AHV, und manchmal auch von der 2. Säule, der Pensionskasse.
Zuerst zur AHV: Eine geschiedene Frau, deren Ex-Mann verstorben ist, hat von der AHV Anspruch auf eine Witwenrente,
- wenn sie Kinder hat und die geschiedene Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat oder
- wenn sie bei der Scheidung älter als 45 Jahre war und die geschiedene Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat oder
- wenn das jüngste Kind 18 Jahre alt wird, nachdem die geschiedene Mutter 45 Jahre alt geworden ist.
Wenn eine geschiedene Frau keine dieser Voraussetzungen erfüllt, hat sie Anspruch auf eine Witwenrente bis zum 18. Geburtstag des jüngsten Kindes.
Unter Umständen gibts aber auch noch Geld von der 2. Säule, der Pensionskasse. Das mag irritieren, da die Pensionskassenguthaben bei der Scheidung geteilt wurden.
Vorausgesetzt, die Ehe hat mindestens 10 Jahre gedauert, und der geschiedene Gatte hat bei der Scheidung eine zivilrechtliche Unterhaltsrente - sprich: Alimenten - zugesprochen erhalten. Wobei der Anspruch auf Hinterlassenenrenten der Pensionskasse nur solange besteht, wie auch Alimenten geschuldet gewesen wären.
Wenn also der geschiedene Vater zweier unterstützungspflichtiger Kinder stirbt, erhält die Mutter dieser Kinder unter Umständen sechs Renten: je eine Witwen- und je zwei Kinderrenten aus der ersten und der zweiten Säule. Addiert man all die Renten, so dürfte die Summe höher ausfallen als die Alimente. In solchen Fällen könnten Vorsorgeeinrichtungen die Hinterlassenenleistungen entsprechend kürzen, damit die geschiedene Frau nicht mehr bekommt als zu Lebzeiten ihres Ex-Mannes.
Das war nicht immer so: In kenne einen Fall, bei dem die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder nach dem Tod ihres Ex-Mannes für sich und ihre Kinder höhere Renteneinnahmen verbuchte als sie vorher an Alimenten erhalten hat. Zynisch ausgedrückt: der Tod des Ex-Mannes hat sich für sie finanziell gelohnt. (was überhaupt nicht heisst, dass sie sich darüber freute. Ihr war nicht wirklich wohl dabei).
Unnötig zu betonen, dass geschiedene Witwer auch hier gegenüber geschiedenen Witwen benachteiligt sind.
Erschienen im SonntagsBlick am 6. November 2022
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