Wer die Giesskanne verteufelt, verteufelt die AHV
- viertesaeule
- 14. März 2024
- 3 Min. Lesezeit
Nun wird also der Autor dieser Zeilen dereinst eine 13. AHV-Rente erhalten. Er wird sie dankend entgegennehmen. Ein schlechtes Gewissen hat er deshalb nicht. Er hat Nein gestimmt und kann nichts dafür, dass den Abstimmungsgegnern kein besseres Argument eingefallen ist, als die Vorlage mit dem Giesskannenprinzip zu bekämpfen.
Eine Giesskanne weckt positive Emotionen. Man bringt sie mit Blumen, Pflanzen und Natur in Verbindung. Wer die Giesskanne verteufelt, verteufelt die AHV generell. Sie funktioniert nun mal nach Giesskannenprinzip.
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Es wird nun interessant sein zu beobachten, wie sich der zurückliegende Abstimmungskampf der 13. AHV-Revision auf den bevorstehenden Urnengang zur BVG-Revision auswirken wird. Auch in der 2. Säule wird mitunter mit dem Giesskannenprinzip hantiert.
Der bundesrätliche Revisionsvorschlag, der sich auf den Kompromiss des Arbeitgeberdachverbands und der Gewerkschaften stützte, fand gerade wegen diesem Giesskannenprinzip bei der bürgerlichen Mehrheit keine Gnade. Etliche Versicherte hätten dadurch eine Rentenaufbesserung erhalten.
Dieser Vorschlag steht nicht mehr zur Debatte. Abgestimmt wird im Herbst über höhere Lohnabzüge, mit denen die Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes kompensiert werden soll. Nun muss Stand heute damit gerechnet werden, dass schon mit der Finanzierung der 13. AHV-Rente die Lohnabzüge erhöht werden.
Nur 0,4 Prozent
«Es braucht nur je 0,4 Prozent mehr Lohnbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um die 13. AHV-Rente finanzieren zu können», sagte Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich in der Fernsehsendung «Eco Talk» vom 22. Januar 2024.
Was heisst da «nur»? Werden Linke und Bürgerliche auch von «nur» sprechen, wenn die Beiträge in der 2. Säule steigen? Die Einführung einer 13. AHV-Rente wird etwa 4,1 Mia. Franken kosten. Demgegenüber kostet die BVG-Revision, über die wir im Herbst abstimmen, während 15 Jahren im Schnitt «nur» 2,1 Mia.
Tieflohnbezüger bluten
Nun gibts natürlich zwischen der solidarisch finanzierten AHV und der individuell finanzierten 2. Säule erhebliche Unterschiede. Gerade Tieflohnbezüger würden die höheren Lohnabzüge besonders zu spüren bekommen. Nehmen wir das Beispiel einer Person mit einem Jahreseinkommen von 60'000 Franken. Nach Abzug des Koordinationsabzugs verbleibt ein versicherter Lohn von 34'275 Franken; bei einer Annahme der BVG-Revision steigt dieser auf 48'000 Franken, weil dann der Koordinationsabzug 20 Prozent des AHV-Lohnes ausmachen würde.
Das heisst, bei Personen bis Alter 34 steigt damit der Arbeitnehmerbeitrag von 1199 auf 2160 Franken pro Jahr. Das entspricht einer Steigerung um 80 Prozent. Wir sprechen hier also nicht von Promillen, sondern von Prozenten.
Bei Personen über 55 steigt der Arbeitnehmerbeitrag hingegen bloss um 8,9 Prozent. Die Diskrepanz rührt daher, dass bei einem Ja zur BVG-Revision die Beitragssätze für die U45 zunehmen; für die Ü45 dagegen abnehmen. Je höher der AHV-Lohn, desto weniger stark fällt der zusätzliche prozentuale Lohnabzug ins Gewicht.
Kosten ohne Gegenleistung
Freilich kann nicht genug wiederholt werden, dass Arbeitnehmende dank der zusätzlichen Lohnabzüge mit einer Gegenleistung rechnen können: Sie werden im Alter eine höhere Rente bekommen oder ein höheres Alterskapital angehäuft haben. Die Arbeitgebenden hingegen, die insgesamt mit höheren Arbeitgeberbeiträgen von rund 1 Mia. Franken rechnen müssen, erhalten dafür keine Gegenleistung.
Wenn nun diese KMU schon für die Finanzierung der 13. AHV-Rente höhere Lohnnebenkosten in Kauf nehmen müssen, werden sie dann trotzdem bei der BVG-Abstimmung ein Ja in die Urne legen, obschon sie dafür keinen Gegenwert erhalten?
Die Linken werden so oder so die BVG-Abstimmung torpedieren, auch weil Tieflohnbezüger verhältnismässig hohe Abzüge in Kauf nehmen müssten. Damit sind wir bei Jacqueline Badran. Die SP-Nationalrätin meinte im Vorfeld der AHV-Abstimmung, man könnte doch Lohnprozente der 2. Säule für die 1. Säule abzwacken. So abwegig ist dieser Gedanke nicht, wenn man bedenkt, dass Arbeitgebende mehr Franken in die 2. Säule überweisen als in die AHV, obschon die AHV-Beiträge auf dem vollen Lohn berechnet werden und nicht auf einem deutlich tieferen versicherten Lohn.
2022 beliefen sich die reglementarischen Arbeitgeberbeiträge an die AHV 18 Mia. Franken. In die berufliche Vorsorge überwiesen die Arbeitgeber hingegen 31 Mia. Ein grosser Teil davon ist überobligatorisch, sprich freiwillig.
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Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» Mitte März 2024
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