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Von (Börsen-) Tippspielen

Als Bub liebte ich Sport-Toto. Einen 13er habe ich nie geschafft. Dazu hätte ich bei allen Fussballspielen der Nationalliga A und B voraussagen müssen, ob das Heimoder das Auswärtsteam gewinnt oder ob es ein Unentschieden gibt. Den Talon kaufte ich am Kiosk. Manchmal kaufte ihn mein Vater für mich, da er ebenso ein begeisterter, aber mässig erfolgreicher Sport-Toto-Spieler war.


Mein Fussballwissen – so bildete ich mir ein – überstieg jenes eines Stammtisch-Proleten. So haderte ich damit, dass ich kaum jemals die Hälfte der Partien richtig zu tippen vermochte.


Mein Vater tröstete mich mit der Einsicht, dass für mich die Wahrscheinlichkeit, einen 13er zu schaffen, gleich gross ist wie für meine Mutter, würde sie es versuchen. Dabei verstand sie wirklich nichts von Fussball. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass die Young Fellows ein Fussballklub aus Zürich waren.


In einer Jubiläumsschrift der Sport-Toto-Gesellschaft ist zu lesen, dass bei einem Wettbewerb eine Frau als Einzige das Maximum erreicht und die Gewinnsumme von 1000 Franken abgeräumt habe. Es stellte sich heraus, dass die Gewinnerin aus Kleinbasel ihren Lebensunterhalt mit Waschen und Putzen verdiente und von Fussball nichts verstand. In einer Kaffeehalle hätten Tischnachbarn die Coupons ausgefüllt. Die Frau hätte links und rechts gespickt und gewisse Tipps einfach so abgeändert.


Warum ich das erzähle? Nun: Was beim Fussball-Tippspiel gilt, gilt auch beim Börsen-Tippspiel, das Anfang Jahr sogenannte Experten betreiben.


Wenn es nur ein Spiel wäre, gäbe es kaum etwas dagegen einzuwenden. Die in den einschlägigen Medien publizierten Aktientipps kommen aber nicht als Spiel daher, sondern vielmehr als Prognosen. Und sie werden nicht von irgendwem abgegeben, sondern von Fachpersonen. Leserinnen und Leser könnten somit dem Irrtum erliegen, an den von Fachleuten publizierten Aktientipps sei etwas dran.


Das Tippen auf einzelne Aktien nennt sich «Stock Picking». Zig Studien belegen, dass es Fachleuten kaum gelingt, mit gezieltem Herauspflücken vielversprechender Aktien einen Börsenindex über längere Zeit zu übertreffen. Kleinanleger sind also gut beraten, Anteile eines Indexfonds zu kaufen. Auch Pensionskassen und andere institutionelle Grossinvestoren setzen mehr und mehr auf diesen Ansatz. Passives Investieren nennt sich das.


Ob ich denn nur Indexfonds besitze und keine einzelnen Aktien, werde ich mitunter gefragt. Ich muss gestehen: Ich besitze neben Fondsanteilen auch einzelne Aktien. Und dies, obschon ich mir vor 20 Jahren mit Swissair-Aktien eine blutige Nase holte und später dasselbe Fiasko mit der Credit Suisse erlebte. Warum ich mich nicht an das halte, was ich als «Gopfried Stutz» wiederholt predige? Tja, ich bin halt auch nur ein Mensch.



Erschienen im SonntagsBlick am 22. Januar 2023


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