Mehr Spielraum für Wohlfahrtsfonds
- viertesaeule
- 15. Dez. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Jan. 2024
Wohlfahrtsfonds finden in den Publikumsmedien wenig Beachtung. Grund genug, sie an dieser Stelle ausgiebig zu thematisieren. Es ist Daniela Schneeberger, die sich für Wohlfahrtsfonds als Teil der beruflichen Vorsorge einsetzt. Die FDP-Nationalrätin aus Basel-Landschaft ist Präsidentin des Vereins Patronfonds, dem Dachverband der patronalen Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen.
Über ihre Motion 21.3564 wurde in diesen Spalten wiederholt berichtet. Sie ist vom Tisch: Der Ständerat lehnte sie in der zurückliegenden Herbstsession ohne Wenn und Aber ab.
Zur Erinnerung: Daniela Schneeberger verlangte, dass nicht nur ordentlich pensionierte, sondern auch vorzeitig pensionierte Rentnerinnen und Rentner vom AHV-Freibetrag von jährlich 16'800 Franken profitieren können, sofern sie vom Wohlfahrtsfonds für die Überbrückung Geld bekommen. Bundesrat und Ständerat fanden das keine gute Idee. Es würden dadurch neue Ungleichheiten geschaffen. Nur vom Wohlfahrtsfonds, nicht aber von der Pensionskasse oder dem Arbeitgeber unterstützte Frührentner hätten vom Freibetrag profitieren können.
Mehr Handlungsspielraum
Noch befindet sich ein weiteres Anliegen der Präsidentin von Patronsfonds in der Pipeline, diesmal eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv). Sie ist am 20. Juni 2019 unter der Nummer 19.456 eingereicht worden. Die Baselbieter Treuhänderin mit eidgenössischem Fachausweis will den Stiftungsräten von Wohlfahrtsfonds mehr Handlungs- und Ermessensspielraum verschaffen.
Die Sozial- und Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) hat der parlamentarische Initiative im Januar 2021 Folge gegeben und später einen Vorentwurf erarbeitet. Inzwischen hat der Bundesrat dazu am 13. September 2023 einen Bericht publiziert.
Notlage oder nicht?
Worum geht es? Wohlfahrtsfonds sind Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und verfolgen den Zweck, Leistungen zur Absicherung der drei Vorsorgerisiken Alter, Tod und Invalidität zu erbringen. Wie der Bundesrat im genannten Bericht schreibt, erlauben Aufsichts- und Steuerbehörden auch Leistungen, die nicht unter die enge Definition der beruflichen Vorsorge fallen. Das sind etwa Leistungen für Personen, die sich wegen Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit in einer Notlage befinden. Solche Leistungen werden als «Nebenzweck» bezeichnet.
Nun das Problem: Solche Nebenzweck-Leistungen sind laut gängiger Rechtspraxis nur zulässig, wenn sie zur Abfederung einer Notlage beitragen.
Notlage oder nicht? Man ahnt es: Der Übergang ist fliessend; der Ermessensspielraum gross, die Auslegung der Aufsichtsbehörden uneinheitlich. Deshalb will die FDP-Politikerin, dass solche Leistungen nicht nur bei Notlagen erbracht werden können.
So könnten Wohlfahrtsfonds mit einer grosszügigen Auslegung des Kriteriums Notlage auch bei gesundheitlichen Problemen präventiv helfen. Oder auch dort, wo Familie und Beruf in Einklang zu bringen sind.
Heute ist es einem Wohlfahrtsfonds verwehrt, eine freiwillige Grippe- oder Zeckenimpfung zu finanzieren oder Leistungen bei Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit zu gewähren. Auch ist es nicht zulässig, die Betreuung eines kranken Kindes oder Angehörige finanziell zu unterstützen oder Härtefällen vorzubeugen.
Obschon Wohlfahrtsfonds von Arbeitgebenden freiwillig alimentiert werden und grundsätzlich hehre Ziele verfolgen, erachtet der Bundesrat die Ausweitung der Zwecksetzung als problematisch. Die Rechtssicherheit würde nicht verbessert, weil statt des engen Begriffs der Vorsorge teilweise «sehr offene Begriffe» verwendet werden.
Zudem weist der Bundesrat darauf hin, dass mit der Zweckerweiterung unter Umständen Leistungen erlaubt würden, die unter das Arbeitsrecht fallen. «Auch wenn die gesetzlichen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers unangetastet bleiben, ist es aus Sicht des Bundesrats nicht zulässig, dass ein patronaler Wohlfahrtsfonds Leistungen übernimmt, die der Arbeitgeber erbringen muss», steht im Bericht zu lesen.
An ihrer Sitzung vom 17. November 2023 hat die SGK-N vom Bericht des Bundesrates Kenntnis genommen. Sie stimmte aber mit 18 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen gegen den Antrag des Bundesrats, auf die Aus- und Weiterbildungsmassnahmen, die Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention zu verzichten. Als nächstes ist der Nationalrat am Zug.
Was kosten die Steuerabzüge?
Anderes Thema: Wie stark schlagen für die Eidgenossenschaft die steuerlichen Abzüge im Rahmen der 2. Säule zu Buche? Welcher Anteil dieser Kosten entfällt auf die 10 Prozent der höchsten Einkommen? Und: Hat der Bundesrat bei den höchsten Einkommen Mitnahmeeffekte festgestellt? Die Antwort auf diese Fragen wären in der Tat interessant. Der Konjunktiv deshalb, weil sie nicht bekannt sind.
Bekannt sind sie indessen im Bereich der Säule 3a. Am 22. November 2023 schreibt der Bundesrat als Stellungnahme zur Interpellation 23.4254, die Summe der Abzüge für Beiträge der Säule 3a betrug im Steuerjahr 2019 rund 10,9 Mrd. Franken. Das hätte bei der direkten Bundessteuer geschätzte Mindereinnahmen von rund 600 Mio. Franken zur Folge gehabt. Rund 57 Prozent dieser Mindereinnahmen entfielen auf die obersten 10 Prozent.
Das ist zweifellos nicht uninteressant. Doch der Interpellant Samuel Bendahan, Co-Fraktionspräsident der SP, interessiert sich vorab für die steuerlichen Auswirkungen der 2. Säule. Hierzu schreibt der Bundesrat, dass die Summe der Abzüge in der 2. Säule deutlich höher seien. Er verfüge aber nicht über die notwendigen Daten, um die Auswirkungen von Steuervergünstigungen zu analysieren.
Mehrere Arbeitgeber - ein Evergreen
Zum Schluss noch so etwas wie eine Vollzugsmeldung: Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner will mit dem Postulat 23.4168 die Situation der Mehrfachbeschäftigten in der 2. Säule verbessern. Der Bundesrat soll in einem Bericht aufzeigen, wie in der 2 Säule die Versicherungspflicht auch auf Arbeitnehmende ausgeweitet werden kann, die für mehrere Arbeitgeber tätig sind und die Eintrittsschwelle nicht erreichen. Ein Evergreen, möchte man sagen.
Der Autor dieser Zeilen äusserte in der letzten Ausgabe Zweifel am Nutzen einer Auslegeordnung in dieser Frage. In der Debatte rund um die BVG-Revision wurden mehrere Varianten diskutiert, wie dieses Problem gelöst werden könnte. «An Lösungsvorschlägen fehlt es nicht. Es fehlt am politischen Willen», so das Fazit. Der Bundesrat sieht das anders: Am 22. November 2023 stellte er den Antrag, das Postulat anzunehmen.
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Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» Mitte Dezember 2023
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