Die SVP stört sich an den leistungen für das Bundespersonal
- viertesaeule
- 17. Mai 2023
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Herbstsession 2022: Die im Ständerat traktandierte BVG-Debatte wird auf die Wintersession verschoben. Die vorberatende Kommission will noch dieses und jenes abgeklärt haben. Und just in dieser Phase reicht die SVP eine Motion zur 2. Säule ein.
Das befremdet - aber nur auf den ersten Blick. Denn bei der Motion 2239.60 geht es zwar um die 2. Säule, aber nicht um das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG), sondern um das Bundespersonalrecht. Und ja: Es geht nicht um die obligatorischen Mindestanforderungen, dem Obligatorium, sondern um freiwillige Leistungen, dem Überobligatorium.
So will die SVP bei den Bundesangestellten die Pensionskassenleistungen herunterfahren. Die Sätze der Altersgutschriften, die vom Bund für seine Angestellten bezahlt werden, sollen das gesetzliche Minimum nicht um mehr als 5 Prozent übersteigen.
Die SVP stört sich daran, dass der Bund bei seinen Arbeitgeberbeiträgen «weit über das gesetzlich vorgeschriebene und privatwirtschaftlich übliche hinaus geht.» So bezahle der Bund nicht nur höhere Beiträge als nötig; er bezahle sie auch früher als nötig. Die SVP nennt in der Motion das Beispiel eines Kaderangehörigen der Lohnklasse 24 bis 38 im Alter von 55 Jahren. Hier beträgt die Altersgutschrift 37,1 Prozent, wobei der Bund als Arbeitgeber zwei Drittel übernimmt. «Das ist eine vom Bund geschenkte und vom Steuerzahler finanzierte Mehrleistung von stolzen 15,3 Prozent des Bruttolohnes», rechnet die SVP in der Motion vor.
Wobei der Faktencheck eine nicht ganz unerhebliche Unschärfe zu Tage fördert. Die genannte Mehrleistung von 15,3 Prozent bezieht sich nicht auf den Bruttolohn. sondern auf den versicherten Lohn.
So oder so: Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass letztlich die Anstellungsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt massgebend seien - und dies nicht nur im Privatsektor. «Der Bundesrat muss sicherstellen, dass der Bund die für die Aufgabenerfüllung notwendigen Mitarbeitenden in der geforderten Qualität und Quantität rekrutieren und halten kann.»
Die «zweite» BVG-Revision
Zu einem anderen Thema: Allen dürfte bekannt sein, dass in der zurückliegenden Frühjahrssession eine BVG-Revision verabschiedet werden konnte, gegen welche die Gewerkschaften nun das Referendum ergriffen haben und am Sammeln von Unterschriften sind. Weniger oder überhaupt nicht bekannt dürfte indessen sein, dass daneben noch eine andere BVG-Revision am Laufen ist. Der Bundesrat hat die entsprechende Botschaft am 1. Februar 2023 ans Parlament überwiesen.
Es geht ums Deponieren von Freizügigkeitsgeldern bei der Bundestresorerie. Laut Artikel 60b BVG darf die Auffangeinrichtung die Gelder der von ihr geführten Freizügigkeitskonten bis zum Maximalbetrag von 10 Milliarden Franken bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung anlegen, falls ihr Deckungsgrad im Freizügigkeitsbereich weniger als 105 Prozent beträgt.
Das Problem mit einem Wort: Negativzinsen. Die Auffangeinrichtung muss Freizügigkeitsguthaben entgegennehmen, darf sie aber nicht mit Negativzinsen belasten. Damit die Auffangeinrichtung im Umfeld negativer Zinsen den Nominalwert der Einlagen gewährleisten kann, muss sie Risiken eingehen. Und wer Risiken eingeht, muss über Schwankungsreserven verfügen. Gerät sie bei den Freizügigkeitskonti in Unterdeckung, ist sie nicht sanierungsfähig.
Aus diesem Grund hat die Auffangeinrichtung im September 2020 mit Artikel 60b BVG die Möglichkeit erhalten, bis 10 Mrd Franken bei der Bundestresorerie zinslos und unentgeltlich zu deponieren. Das Recht läuft im September 2023 aus. Obschon Negativzinsen zumindest vorläufig der Vergangenheit angehören, will der Bundesrat die Geltungsdauer von Artikel 60b BVG um weitere vier Jahre verlängern.
Hat die Auffangeinrichtung überhaupt vom Nullzinskonto jemals Gebrauch gemacht? Ja. Ende April 2022 unterschritt der Deckungsgrad im Geschäftsbereich FZK die Schwelle von 105 %. Wie die Stiftung auf Anfrage bestätigt, nutzte sie die Möglichkeit, Geld auf dem Nullzinskonto bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung anzulegen. Sie tat das im Umfang von maximal 4,25 Milliarden Franken, womit sie die Gegenparteirisiken in diesem unsicheren Umfeld zu reduzieren vermochte. Mit den gestiegenen Zinsen gegen Ende des Jahres begann die Auffangeinrichtung das Geld vom Nullzinskonto wieder abzuziehen.
Das Splitting-Modell im BVG
Und jetzt noch zu einem Phantomschmerz. Als das bezeichnet Jérôme Cosandey das Splitting-Modell im BVG. In der März-Ausgabe von Schweizer Personalvorsorge kommentierte der Directeur romand von Avenir Suisse das Postulat 23.3011: «BVG. Splitting der erworbenen Altersguthaben für Eltern».
Brigitte Crottaz und Christian Lohr, eine SP-Nationalrätin aus der Waadt und ein Mitte-Nationalrat aus dem Thurgau, wollen einen Bericht darüber, wie im BVG ein Splittingmodell für Paare in Abhängigkeit von Kindern implementiert werden könnte, um das Altersguthaben zu je 50 Prozent auf beide Elternteile aufzuteilen.
Gemäss den Postulanten könnte ein solches Splitting-Modell an Kindern geknüpft werden. Während also in der 1. Säule ab der Heirat gesplittet wird, soll dies in der 2. Säule ab der Geburt des ersten Kindes geschehen.
Von einem solchen Modell würde jener Elternteil profitieren, der über all die Erwerbsjahre weniger verdient, also meistens die Mutter. Und es würden vor allem unverheiratete Mütter profitieren, weil Verheiratete schon heute sowohl bei Scheidungen wie auch beim Tod des Ehegatten gegenüber Unverheirateten bevorteilt sind.
Was ist aber, wenn der eine Elternteil keiner Pensionskasse angeschlossen ist? Gemäss den Postulanten müssten Ehepartner ohne PK «möglicherweise in die PK des andern aufgenommen werden.» Darüber würden sich all die Pensionskassen sicher freuen.
Wahrscheinlicher ist, dass der Anteil für die Person ohne PK einer Freizügigkeitsstiftung überwiesen würde. Dies mit dem Makel, dass jene im Alter keine Renten auszahlen.
Jérome Cosandey fragt sich zudem, was zu tun sei, wenn sich eine Pensionskasse in Unterdeckung befinde. Ob denn die Arbeitgeber, die oft den grösseren Teil der Sanierung leiten, auch die Lücken von Personen schliessen müssen, die nie für sie gearbeitet haben?
Und wie soll das bei einer Teilliquidation gehen? Fragen über Fragen. Möglich ist vieles, fragt sich nur zu welchem Preis. Und dass die 2. Säule dann noch komplexer würde, als sie es bereits schon ist, scheint in Bundesbern nur eine kleine Minderheit zu stören.
Der Bundesrat sieht das Ganze jedenfalls weniger kritisch. Er empfiehlt das Postulat zur Annahme. So dürfen wir gespannt sein, wie die Verwaltung das Postulat umsetzt, und was der einschlägige Bericht Erhellendes offenbaren wird.
Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» Mitte Mai 2023
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