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Die Senkung der Eintrittsschwelle ist umstritten

Aktualisiert: 9. Juli 2022

Die Minirevision der AHV mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Anpassung des Frauenrentenalters und den damit verbundenen Ausgleichsmassnahmen für die ersten neun Jahrgänge ist zumindest in Bundesbern unter Dach und Fach. Jetzt muss im Herbst nur noch der Souverän die beschlossenen Massnahmen gutheissen.


Weniger weit fortgeschritten ist die Revision der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge. Der Nationalrat hat sie in der zurückliegenden Dezembersession beraten. Inzwischen ist auch die ständerätliche Sozialkommission (SGK-S) in ihrer ersten Sitzung des Jahres darauf eingetreten.


Das Problem der Mehrfachbeschäftigten


Im Hinblick auf die Detailberatung, welche die SGK-S an ihrer Sitzung vom 17./18. Februar in Angriff nimmt, hat sie die Verwaltung schon mal beauftragt, eine vereinfachte berufliche Vorsorge für Teilzeitbeschäftigte mit mehreren Arbeitgebern und für Personen mit einem tiefen Jahreslohn zu prüfen.


Der Nationalrat reduzierte die Eintrittsschwelle auf 12'548 Franken und folgte damit der knappen Mehrheit der Kommission. Doch der Baselbieter SVP-Nationalrat Thomas de Courten forderte den Ständerat in der Ratsdebatte ausdrücklich dazu auf, sich mit der Umsetzung dieser Bestimmung nochmals zu befassen.


Fragt sich, was es dazu noch zu prüfen gibt: Auf die Kommissionsmotion 21.4338 «BVG. Ausweitung der Versicherungspflicht auf mehrere Teilzeitbeschäftigungen» hat der Bundesrat am 24. November 2021 ausführlich Stellung genommen. Mit der Senkung der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzugs auf 12'548 Franken sei die Vorsorge von Mehrfachbeschäftigten «erheblich verbessert» worden, schreibt er. Damit wären nur noch gut 10 Prozent der Mehrfachbeschäftigten nicht obligatorisch versichert, könnten sich aber freiwillig unter die berufliche Vorsorge stellen.


Noch etwas in dieser Sache: Am 22. Februar 2002, fast auf den Tag genau vor 20 Jahren, publizierte die SGK-N unter dem damaligen Präsidenten Toni Bortoluzzi (SVP, ZH) einen Bericht «über den Vorsorgeschutz für Teilzeitbeschäftigte und Personen mit kleinen Einkommen». In diesem Bericht schlägt die SGK-N vor, «die obligatorische berufliche Vorsorge auf 12'360 Franken festzulegen». Genau das, was jetzt auch der Nationalrat in der Wintersession beschlossen hatte – einfach nur mit einer 20-jährigen Verzögerung.


Wobei die Senkung der Eintrittsschwelle keineswegs unumstritten ist: So hat sich der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) an seiner Jahresmedienkonferenz von Anfang Februar gegen deren Senkung ausgesprochen. Zweifel am Sinn der Senkung äusserte auch FDP-Ständerat Damian Müller, der nun nicht mehr im Sold von Swiss Life, sondern der Mobiliar steht. «Wir versichern dann Leute mit Kleinstpensen, die wenige Sparfränkli ansparen müssen, die mit Blick auf die Rente irrelevant sind», meinte der Luzerner gegenüber «Schweizer Personalvorsorge». Dies würde nur einen riesigen administrativen Mehraufwand generieren.


A propos Koordinationsabzug: Den Teilzeitbeschäftigten und damit vielen Frauen wären schon gedient, wenn der Koordinationsabzug dem Pensum angepasst würde, wie das fortschrittliche Vorsorgeeinrichtungen im überobligatorischen Bereich tun. Auch bei diesem Thema gibt es einen Ladenhüter: die parlamentarische Initiative 11.482, eingereicht von Christa Markwalder vor über zehn Jahren. Die Pa Iv der Berner FDP-Nationalrätin ist für die kommende Sitzung der SGK-S traktandiert. Sie will nichts anderes, als den Koordinationsabzug in Prozenten des Arbeitspensums festlegen.



2. Säule ist nicht Wohnbauförderung


Was auf dem Immobilienmarkt passiert, betrifft die Pensionskassen unmittelbar. Deshalb sei hier auf zwei hängige Motionen verwiesen, die das Wohneigentum fördern wollen.


Mit der Motion 21.4520 fordert Heidi Z’graggen vom Bundesrat Massnahmen, um den Erwerb von selbstbewohntem Eigentum zu fördern. Und die Mehrheit der nationalrätlichen Sozialkommission will mit ihrer Motion 21.4339 den Erwerb von Wohneigentum mit Hilfe der 2.Säule erleichtern.


Zur Erinnerung: Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat 2012 die Vorschriften für Vorbezüge aus der 2. Säule zwecks Finanzierung von Wohneigentum erschwert. Von den Eigenmitteln kann seither nur noch die Hälfte mit Geldern der 2. Säule finanziert werden.


Für den Bundesrat ist es im derzeitigen makroökonomischen Umfeld nicht angezeigt, die bestehenden Kreditvergabestandards zu lockern und damit das Preiswachstum zusätzlich zu begünstigen. Zudem weist er in seiner Stellungnahme vom 24. November 2021 darauf hin, dass der geforderte Mindestanteil eigener Mittel ausserhalb der 2. Säule als Puffer diene, um allfällige Wertminderungen der Immobilie aufzufangen. «Stünden für diese Verlustabsorption ausschliesslich Guthaben aus der 2. Säule zur Verfügung, könnte der Versicherte gegebenenfalls seiner Rückzahlungspflicht gemäss BVG nicht nachkommen», schreibt der Bundesrat.


Was der Bundesrat nicht sagte: Die 2. Säule dient der Alters- und Invalidenvorsorge und nicht der Förderung von Wohneigentum – und schon gar der indirekten Subventionierung von Banken, Bauwirtschaft und Immobilienbranche.


Ausbau von 3a? Nein danke


Zum Schluss noch eine Klarstellung: Die SGK-N wollte mit Artikel 82a BVG die Säule 3a attraktiver machen, indem der maximale steuerliche Abzug von heute 8 auf neu 12 Prozent des oberen Grenzbetrags von 86’040 Franken erhöht würde. Bevor sich die Bürgerlichen selbst von ihrem Vorschlag aus abstimmungstaktischen Gründen distanzieren konnten, sprach die Grüne Katharina Prelicz-Huber von einer «Ungeheuerlichkeit angesichts der Situation, in der wir stehen». Die Zürcherin sagte zudem: Aktuell könnten nur maximal 10 Prozent der Bevölkerung den maximalen Abzug beanspruchen.


Diese Aussage ist falsch: Richtig ist, dass 2017 gemäss Statistik zur direkten Bundessteuer lediglich 10,8 Prozent den maximalen Betrag in die Säule 3a einbezahlt haben. Das heisst aber nicht, dass nicht mehr als besagte 10 Prozent dazu in der Lage gewesen wären. Soviel zum Faktencheck.

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