Der Einfluss der Brokerlobby
- viertesaeule
- 14. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Jan.
FDP-Nationalrat Philippe Nantermod ist Präsident der Union Suisse des Professionels de l’Immobilier (USPI). In dieser Funktion hat der Walliser in der Frühjahrssession ganze Arbeit geleistet: Er überzeugte die grosse Kammer davon, den Erwerb von Wohneigentum mithilfe von Spargeldern der beruflichen Vorsorge zu erleichtern.
Nantermod sprach im Namen der nationalrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission (SGK-N), die die Motion 21.4339 im Oktober letzten Jahres eingereicht hat. «Lieber reich und Erbe als Schaffer und Sparer», sagte Nantermod im Stil eines Gewerkschafters.
Die Mehrheit im Nationalrat stellte sich mit dem knappen Ja von 81 zu 71 Stimmen nicht nur gegen den Bundesrat, sondern auch gegen die Finanzmarktaufsicht. Es war die Finma, die vor knapp zehn Jahren wegen der gestiegenen Risiken am Hypothekarmarkt die Finanzierung via 2. Säule einschränkte. Man könnte salopp folgern: Die bürgerlichen Nationalrätinnen und Nationalräte nehmen für sich in Anspruch, es besser zu wissen, die Kreditrisiken besser einschätzen zu können als die Experten der Finma.
Gemäss der heutigen Regelung muss die Hälfte des Eigenkapitals von 20 Prozent selbst eingebracht werden; die andere Hälfte kann man via 2. Säule finanzieren. Bei einem Eigenheim von 800'000 Franken müssten also 80’000 Franken von der Säule 3a oder anderen Ersparnissen beigesteuert werden. Ob das zu viel verlangt ist?
Finanzminister Ueli Maurer vertritt in der Debatte die ablehnende Haltung des Bundesrats. Die Förderung von Wohneigentum sei zu begrüssen, sagte er. Wenn aber alles Geld aus der 2. Säule für Wohneigentum eingesetzt werde, könnten später Vorsorgegelder fehlen und der Staat müsse einspringen. «In dieser Güterabwägung kommt der Bundesrat zum Schluss, dass das Risiko schwerer wiegt, die zweite Säule zu schwächen, wenn wir gestatten, alles Geld aus diesem Vorsorgewerk zu nehmen, um Wohneigentum zu finanzieren.»
Weil die Motion keinen direkten Bezug zur Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge hat und sich im BVG nichts ändert, äussert sich der Pensionskassenverband Asip nicht dazu.
Geäussert hat sich aber Roger Baumann vom Beratungsunternehmen C-Alm. Er verweist in den Tamedia-Blättern auf einen interessanten Aspekt. Nach seiner Beobachtung würden Ehepaare häufig auf das Pensionskassenvermögen der Frau zurückgreifen, weil dieses eine geringere Rente abwerfe. Dadurch würde die Frau im Alter noch stärker vom Ehepartner abhängig. Diese Aussage ist nicht ohne Brisanz, da doch der Ständerat damit beschäftigt ist, die laufende BVG-Revision, die in der Sommersession beraten werden soll, frauenfreundlicher zu gestalten.
Broker-Entschädigung zulasten der PK
Nicht frauenfreundlich, aber versichertenfreundlich hätte die Broker-Entschädigung werden sollen, wenn es nach dem Bundesrat gegangen wäre. Doch nach dem Ständerat will auch der Nationalrat davon nichts wissen. Heute zahlen die Pensionskassen - nicht die Arbeitgeber - den Brokern rund 300 Millionen Franken pro Jahr für die Vermittlung einer neuen Pensionskasse. Eine Kommissionsminderheit, bestehend aus Linken und Grünen, vertritt aber den Standpunkt, dass eine aufwandbasierte Entschädigung durch die Arbeitgebenden und nicht durch die Vorsorgeeinrichtung zu erfolgen hat.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass Broker nicht diejenige Pensionskasse empfehlen, die für die Arbeitnehmerinnen am besten wäre, sondern diejenige, die am meisten Provision und Courtagen bezahlt, ist logischerweise gross», sagte Manuela Weichelt (Grüne, ZG) in der Nationalratsdebatte vom 17. März 2022.
Wiederholt erklärten die bürgerlichen Räte, wie wichtig doch die Brokerdienste seien. Doch niemand aus ihrem Lager erklärte den Linken, weshalb die Provision durch die Versicherten und nicht durch den Arbeitgeber zu bezahlen sei. «Ich kann Ihnen auch aus persönlicher Erfahrung berichten, wie wichtig die Dienstleistungen der Broker in diesem Bereich sind» sagte Marcel Dobler (FDP, SG), der einst Digitec gründete und bei Franz Karl Weber beteiligt ist.
«Natürlich ist es in Ordnung und oft auch sinnvoll, wenn sich KMU beraten lassen», meinte Barbara Gysi (SP, SG). Aber dass dafür jedes Jahr von den Pensionskassenguthaben Entschädigungen abfliessen, sei nicht korrekt. «Die Brokerlobby hat in der Kommission massiv gewirkt, um eben ihre Pfründe zu sichern.»
Irritierend ist jedoch die Aussage von Barbara Gysi, wonach die Pensionskassen kein Interesse hätten, hier aufzuräumen. Ihr sei in Erinnerung gerufen, dass der Pensionskassenverband Asip wiederholt eine Abkehr vom heutigen Entschädigungsmodell forderte, bei dem die Pensionskassen die Brokerkosten auf die Versicherten abwälzten.
Brisantes zur Säule 3a
Kommen wir zur Säule 3a: Wie in der Februarausgabe berichtet, wollte die SGK-N im Rahmen der BVG-Revision die Säule 3a attraktiver machen. Der maximale steuerliche Abzug hätte von 8 auf neu 12 Prozent des oberen Grenzbetrags von 86’040 Franken erhöht werden sollen, sprich von heute 6883 auf neu 10'325 Franken. Aus abstimmungstaktischen Gründen wahrlich keine gute Idee, dies im Rahmen der von linker Seite hart bekämpften BVG-Revision zu tun. Das haben die Befürworter dann auch eingesehen und in der Wintersession davon Abstand genommen.
Nun gelangte das Ansinnen in der Frühjahrssession erneut aufs Tapet, diesmal losgelöst von der BVG-Revision, dafür viel ausgeprägter: So stimmte der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative (PaIv) von Erich Hess (SVP, BE) zu. Danach soll der steuerliche Maximalbetrag für Einzahlungen in die Säule 3a auf 15'000 Franken für Arbeitnehmende und auf 45'000 Franken für Erwerbstätige ohne berufliche Vorsorge angehoben werden.
Das Abstimmungsergebnis von 96 zu 85 Stimmen ist insofern bemerkenswert, da die bürgerlich dominierte Kommission die PaIv zur Ablehnung empfohlen hat. Es war die lgrüne Katharina Prelicz-Huber, die den Standpunkt der Kommissionsmehrheit im Rat vertritt, dabei ausschweifend war, erneut die Platte der benachteiligten Frau auflegte, bis die Nationalratspräsidentin Irène Kälin sich dazu verpflichtet sah, ihre Parteikollegin zur Räson zu bitten: «Frau Prelicz-Huber, auch als Berichterstatterin müssen Sie ein Ende finden.»
Vielleicht hat gerade der deplazierte Auftritt der Berichterstatterin den einen oder die andere dazu bewogen, entgegen der Kommissionsmehrheit zu stimmen. Nun liegt der Ball beim Ständerat. Es wäre doch sehr erstaunlich, sollten die Kantonsvertreter der PaIv zustimmen und damit Steuerausfälle von hunderten Millionen Franken in Kauf nehmen.
Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» am 14. April 2022
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