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Das sind die Wortführer der BVG-Revision

Am Wahlsonntag vom 22. Oktober 2023, den böse Zungen als nationaler Tag der Grünabfuhr bezeichnen, hatte es lange so ausgesehen, als würde die grüne Sozialpolitikerin Katharina Prelicz-Huber ein zweites Mal die Wiederwahl verpassen. Vor laufender Kamera räumte die sichtlich aufgewühlte VPOD-Präsidentin ihre Niederlage ein, ehe es dann eben doch anders herausgekommen ist (so viel zum Sinn und Zweck von Hochrechnungen).

 

Warum an dieser Stelle daran erinnert wird? Weil die Zürcherin innerhalb des linken Lagers vielleicht nicht die profilierteste, sicher aber die lautstärkste Gegnerin der laufenden BVG-Revision ist.

 

So gehen wir der Frage nach, wer in den anderen Parteien sich mit dem BVG intensiv und glaubwürdig auseinandersetzt und sich öffentlich positioniert. Generell ist zu sagen, dass die meisten, die bisher innerhalb und ausserhalb des Bundeshauses prägnant zum BVG Stellung bezogen haben, auch in der kommenden Legislatur dabei sein werden.

 

In der SP sind es die St. Gallerin Barbara Gysi und die Bernerin Flavia Wasserfallen, bei den Grünliberalen die Bernerin Melanie Mettler, bei der FDP Andri Silberschmidt und Regine Sauter, beide aus dem Kanton Zürich. Bei der Mitte fällt einem niemand ein, der sich wiederholt als BVG-Experte hervorgetan hätte. Bei der SVP ist Albert Rösti Bundesrat geworden, und der Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht hatte nach zwanzig Jahren genug.

 

So fehlt der SVP nach wie vor eine Figur wie Toni Bortoluzzi. Ganze zwanzig Jahre, von Ende 1995 bis Ende 2015, sass der Zürcher Schreinermeister für die SVP in der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK-N) und war in der Öffentlichkeit omnipräsent.

 

Mit dem Baselbieter Thomas de Courten gäbe es zwar einen SVP-Nationalrat, der sich im BVG auskennt. Doch erstens ist er nicht bekannt dafür, das Scheinwerferlicht zu suchen. Zweitens ist er nicht mit der Eloquenz gesegnet, um etwa in der «Arena» des Schweizer Fernsehens die Botschaft rüberbringen zu können.

 

Besser geeignet dazu wäre Diana Gutjahr, wie sie das in der «Arena» vom 8. März 2023 glaubwürdig unter Beweis gestellt hat. Sie ist aber nicht Mitglied der SGK-N. Oder noch nicht. Es wäre im Interesse der beruflichen Vorsorge, wenn die Unternehmerin aus Romanshorn im Kanton Thurgau in der SGK-N Einsitz nimmt.

 

Problem ungelöst Teilzeit

 

In der Juli-Ausgabe stand an dieser Stelle zu lesen, das Kapitaldeckungsverfahren stosse an seine Grenzen, wenn es darum geht, die 2. Säule neueren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. «Die unbefriedigende Lösung für Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte ist das beste Beispiel dafür.»

 

Genau um diese unbefriedigende Lösung geht es im Postulat 23.4168, welches der Appenzeller Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner in der zurückliegenden Herbstsession eingereicht hat. Mit seinem Vorstoss verlangt der Generalagent der Mobiliar einen Bericht darüber, wie in der 2. Säule die Versicherungspflicht auf jene ausgeweitet werden kann, die für mehrere Arbeitgeber tätig sind und die Eintrittsschwelle nicht erreichen.

 

Heute beträgt die Eintrittsschwelle 22'050 Franken; bei einem Ja zur BVG-Revision sinkt sie auf 19'845 Franken. Dass mit dieser Senkung das Problem nicht gelöst wird, liegt auf der Hand, auch wenn dadurch 70'000 Personen neu dem BVG-Minimum unterstellt sind.

 

Ein Bericht wird das Problem nicht lösen. Er wird zwar Lösungsansätze aufzeigen können. Nur nützt das wenig, wenn der politische Wille zur Umsetzung fehlt.

 

So sei hier an die Motion 21.4338 erinnert, «Ausweitung der Versicherungspflicht auf mehrere Teilzeitbeschäftigungen». Die nationalrätliche Sozialkommission (SGK-N) reichte sie im Herbst 2021 ein, und der Nationalrat segnete sie zwei Monate später ab.

 

Dabei verlangte die Motionärin nicht einen Bericht, sondern eine Gesetzesänderung, um eine Ausweitung der Versicherungspflicht zu vollziehen. So hat sich der Nationalrat in seiner Beratung zur BVG-Revision auf eine Eintrittsschwelle von 12'548 Franken geeinigt. Damit würden nicht zusätzliche 70'000, sondern zusätzliche 450'000 Frauen und Männer obligatorisch BVG-versichert.

 

Es war der Ständerart, der davon nichts wissen wollte, so dass schliesslich die Eintrittsschwelle nur leicht zurückgeht - eben von 22'050 auf 19'845 Franken. Immer unter der Voraussetzung, die umstrittene BVG-Revision wird vom Volk angenommen. An Lösungsvorschlägen fehlt es nicht. Es fehlt am politischen Willen.

 

 

Kampf dem Fachkräftemangel

 

Normalerweise sprechen wir hier von eingereichten Motionen, Interpellationen oder parlamentarischen Initiativen. Für einmal sei hier ein Ansinnen deponiert, für welches es keine oder noch keinen parlamentarischen Vorstoss gibt.

 

Gemäss Art. 33b BVG kann die Vorsorge bis zur Vollendung des 70. Altersjahr weitergeführt werden, wenn das im Reglement so vorgesehen ist. Das heisst, man kann bis 70 in der Pensionskasse versichert bleiben. Nicht möglich ist es aber, nach dem ordentlichen Pensionsalter in eine Vorsorgeeinrichtung einzutreten.

 

So jedenfalls wird Art. 33b BVG interpretiert. Nachzulesen ist das in den «Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 124» vom 15. September 2011. «Die Voraussetzung, dass Art. 33b BVG zum Tragen kommt, ist folglich, dass die versicherte Person der Pensionskasse bereits vor dem ordentlichen Rentenalter beigetreten ist.»

 

Eine Person, die nach dem 64. beziehungsweise nach dem 65. Altersjahr einer neuen Pensionskasse beitritt, könne sich somit nicht auf Art. 33b BVG berufen, um von den gleichen Bedingungen zu profitieren, wie Versicherte, die der Kasse bereits vor dem ordentlichen Rentenalter beigetreten sind. Diese Auslegung stützt sich auf das Bundesgerichtsurteil vom 10. Februar 2011.

 

Nach Auffassung von PensExpert, einer Anbieterin von individualisierten, selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Vorsorgekonzepten, wird dieser Artikel 33b falsch interpretiert, indem nur Personen die Vorsorge weiterführen können, welche bereits vor dem ordentlichen Schlussalter bei der bisherigen Pensionskasse versichert waren. Er müsste so verstanden werden, dass sich alle erwerbstätigen Personen bis zur Vollendung des 70. Altersjahrs versichern dürfen, sollten sie nach dem ordentlichen Schlussalter nochmals in eine neue Pensionskasse eintreten.

 

Zudem betraf das Bundesgerichtsurteil einen Selbständigerwerbenden. Das Urteil könne somit nicht auf alle in der Schweiz beschäftigten Personen angewendet werden.

 

Fachkräftemangel - war da was? Ist Bundesbern nicht bestrebt, Arbeitnehmende im Pensionsalter im Arbeitsmarkt zurückzugewinnen? Kein einfaches Unterfangen, wenn diese für ihren Einsatz mit progressiven Steuersätzen und mangelnden Vorsorgelösungen über Gebühr bestraft werden.


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Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» Mitte November 2023


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