Grüne plädieren für eine «sehr teure Anlageklasse»
- viertesaeule
- 14. Sept. 2022
- 4 Min. Lesezeit
«Es gibt so viel Geld in der Schweiz, aber es fehlt an Risikobereitschaft, dieses Geld innovativen Firmen zur Verfügung zu stellen. Ich kämpfe schon lange darum, dass nur ein einziges Prozent der Pensionskassengelder mit etwas mehr Risiko angelegt werden kann. Zum Beispiel zur Finanzierung von Start-ups oder KMU mit soliden Geschäftsplänen. Das frustriert mich manchmal schon.»
Der das sagte ist Hans Hess, Präsident von Swissmen. Er sagte das am 18. Juni 2017 in einem Interview mit dem SonntagsBlick. Bisher kämpfte er vergebens dafür.
Nun erhält Hess mit seinem Ansinnen Unterstützung von einer Partei, die bisher nicht damit aufgefallen wäre, Seite an Seite mit dem Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrieverband zu kämpfen: den Grünen.
Ihre Bundeshausfraktion verlangt in der Motion 22.3841 in etwa das, wofür Hans Hess seit langem kämpft: Der Bundesrat soll die Grundlagen schaffen, damit Vorsorgeeinrichtungen innert zehn Jahren ein Prozent ihres Anlage-Portfolios für Venture Capital Finanzierungen aufbringen. Die in der Sommersession eingereichte Motion trägt den Titel «Innovationen finanzieren und fördern: Vorsorgekapital nachhaltig nutzen».
Ein Beitrag für die ökosoziale Wende
Die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie sich mit der Förderung irgendwelcher Start-ups begnügten. Laut ihrer Forderung müssten die unterstützten Cleantech-Firmen und Start-ups «strengen Nachhaltigkeitskriterien» genügen und damit «die Innovationen für die ökosoziale Wende vorantreiben und stützen». So könnte laut der Fraktion der Grünen das Sparkapital nicht nur Erträge abwerfen, sondern stehe gleichzeitig auf die Transformation hin zu einer sozialen und klimafreundlichen Wirtschaft zur Verfügung.
Die Frage, wieweit Pensionskassen mit dem Kapital der Versicherten auch Wirtschaftsförderung betreiben sollen, ist fast so alt wie das BVG selbst. Zu erinnern sei ans Debakel der Bernischen Lehrerversicherungskasse (BLVK). In der Berner Zeitung vom 23. August 1995 erklärte ein Vertreter der BLVK, man fühle sich «aus ethischen, moralischen und politischen Gründen dazu verpflichtet, einen Teil des Vermögens für gezielte Wirtschaftsförderung einzusetzen.» Schliesslich würden Lehrerinnen und Lehrer von Steuerzahlenden und die Pensionskasse von Lehrerinnen und Lehrern alimentiert.
Engagiert sich eine Vorsorgeeinrichtung auch nur mit einem kleinen Teil ihres Vermögens in Start-up, so ist sie schnell mal Mehrheitsaktionärin. Und so übernahm die BLVK gleich 80 Prozent der Sarner Cristal in Uetendorf. In solchen Fällen fühlen sich Pensionskassenmanager schnell mal berufen, im entsprechenden Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen. So geschehen bei Ascoop und der BLVK.
Was uns die Erfahrung lehrt
Langjährige Beobachter mögen sich erinnern, was nachher geschah: BLVK und Ascoop schrieben Verluste und mussten saniert werden. Der Bernische Grosse Rat rief darauf eine PUK ein, um die Machenschaften der BLVK zu untersuchen. Pikantes Detail: Präsidiert wurde die PUK vom damaligen Grossrat Bernhard Pulver, dem späteren Berner Regierungsrat der Grünen und heutiger Präsident des Verwaltungsrats der Insel Gruppe. Was er wohl zum Ansinnen seiner Parteikolleginnen sagen würde?
Wenig überraschend lehnt der Bundesrat die Motion ab. Wobei er aber in seiner Stellungnahme vom 24. August 2022 auf die oben genannte Problematik nicht eingeht. Er sagt lediglich, die gültigen Anlagevorschriften würden die in der Motion geforderten Investitionen bereits zulassen. Bis zu 15 Prozent des Anlagevermögens könnten in alternative Anlagen investiert werden, zu denen auch Formen des Venture Capitals gehörten.
Die wirklichen Probleme, die eine Umsetzung der Motion der Grünen mit sich brächte, bringt Publica-Direktorin Doris Bianchi aufs Tapet. Wie sie auf Anfrage erklärt, hat die Publica im Juni ihre Anlagestrategie überprüft und dabei auch die Möglichkeit von Investitionen in Venture Capital analysiert. Ihr Fazit: «Dank der Analyse kamen wir zum Schluss, dass Investitionen in Start-ups aktuell nicht weiterverfolgt werden.»
Der Schweizer Markt von Start-ups sei noch klein. Eine Allokation von 1 bis 2 Prozent durch Publica entspräche «einem signifikanten Anteil des jährlich in der Schweiz in Start-ups investierten Kapitals.» Zweitens nennt Bianchi den Umstand, dass Investitionen in Venture Capital aufgrund der hohen Komplexität über externe Investmentmanager zu erfolgen hätten. Kurz: Es handelt sich um eine «sehr teure Anlageklasse».
Zur Situation der staatsnahen Pensionskassen
Teuer wird es auch sonst. Gemäss SVP-Nationalrat Thomas Matter hat sich die finanzielle Situation der AHV und der Pensionskassen des Bundes (Publica) sowie der staatsnahmen Betriebe «massiv verschlechtert». In der Mitte Juni eingereichten Interpellation 22.3674 wollte der Banker daher vom Bundesrat wissen, wie hoch die Verluste ausgefallen und um wieviel die Deckungsgrade gesunken seien.
Dies ist nicht der Platz, all die Zahlen wiederzugeben, wie sie die Bundesverwaltung zusammengetragen und der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 24. August 2022 veröffentlicht hat. Hier nur soviel: Weder bei der Publica noch bei den Vorsorgeeinrichtungen der Post, SBB und Ruag ist der Deckungsgrad im ersten Semester 2022 auf unter 100 Prozent gefallen. Auffallend ist der geringe Rückgang bei der Ruag von 113,7 auf 110,0 %. Am höchsten ist der geschätzte Rückgang bei den SBB: von 112,4 auf 103,1 %.
Thomas Matter wollte mit seiner Interpellation auch noch in Erfahrung bringen, welche Vorbereitungen der Bundesrat für eine allfällige Sanierung der AHV und der Pensionskasse des Bundes und der Bundesbetriebe getroffen habe. Nun, eine Wiedergabe der Antwort des Bundesrats ist an dieser Stelle kaum nötig. Nur den wenigsten dürfte entgangen sein, dass der Schweizer Souverän am kommenden 25. September über eine AHV-Revision abstimmt. Zudem hat das Parlament mit der Motion 21.3462 den Bundesrat beauftragt, bis 2026 eine Vorlage für eine nächste Stabilisierungsreform auszuarbeiten.
Was die Vorsorgeeinrichtungen der 2. Säule betrifft, weist der Bundesrat in seiner Antwort darauf hin, dass es sich bei den genannten Vorsorgeeinrichtungen mit Ausnahme der Publica um privatrechtliche Stiftungen ohne Staatsgarantie handelt. Eine Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung müsse diese selbst beheben und hierfür Massnahmen ergreifen.
Und weiter schreibt der Bundesrat: «Für eine direkte finanzielle Unterstützung durch den Bund bei der öffentlich-rechtlichen Publica oder für eine entsprechende Unterstützung der privatrechtlich organisierten Pensionskassen der bundesnahmen Unternehmen besteht keine gesetzliche Grundlage.»
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