Japanische Verhältnisse – was heisst das für Hypotheken?
- viertesaeule
- 29. Okt. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Seit der Finanzkrise 2008 verharren die Zinsen auf rekordtiefem Niveau. Mit kurzfristigen Geldmarkthypotheken ist man in dieser Zeit am besten gefahren – und doch ziehen Eigenheimbesitzer Festhypotheken vor.
Von japanischen Verhältnissen spricht man bei einer Periode mit niedrigem Wirtschaftswachstum, niedriger Inflation und niedrigen Zinsen. Genau das erlebt die Schweiz besonders ausgeprägt seit der Finanzkrise 2008. Und in dieser Zeit sind Eigenheimbesitzer mit Geldmarkthypotheken besser gefahren als mit langfristigen Festhypotheken. Doch aufgepasst: Im Nachhinein ist man immer gescheiter.
Das VZ Vermögenszentrum zählt zu jenen Geldinstituten, die schon im Vornherein gescheiter waren: Kaum ein Geldinstitut plädierte in den zurückliegenden Jahren so hartnäckig und pointiert für Geldmarkthypotheken. Lorenz Heim, Leiter Hypotheken beim VZ, rechnet vor: Wer Mitte 2011 eine Geldmarkthypothek für 500'000 Franken abgeschlossen hat, zahlte bis Mitte 2021 Zinskosten von 42'000 Franken. Bei einer zehnjährigen Festhypothek hingegen summierten sich die Zinskosten auf rund 125'000 Franken, auf das Dreifache.
Vier von fünf setzen auf Festhypotheken
So gesehen ist es doch erstaunlich, dass vom gesamten Hypothekarvolumen in der Schweiz von über 1000 Milliarden Franken vier Fünftel aus Festhypotheken bestehen; nur ein Fünftel, also rund 20 Prozent, entfallen auf Geldmarkthypotheken.
Ursina Kubli leitet die Immobilienanalyse bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). «Viele Eigenheimbesitzer wollen Planungssicherheit», sagt sie. Sie wollen nicht laufend das Marktgeschehen im Auge behalten. Vielmehr wollen die Gewissheit haben, dass der tiefe Zins über Jahre Bestand hat.
Bei Geldmarkthypotheken besteht tatsächlich die Gefahr, dass der Zins plötzlich in die Höhe schiesst. Sie orientieren sich an kurzfristigen Referenzzinssätzen, bisher ist es der in London festgelegte Libor, ab 2022 wird es der Saron sein, ein von der Schweizer Börse ermittelten Tagesgeldsatz. Je kürzer die Laufzeit, desto eher müssen Eigenheimbesitzer damit rechnen, auf einmal eine höhere Zinsenlast tragen zu müssen.
Banken ziehen Festhypotheken vor
Brian Mandt, Chefökonom bei der Luzerner Kantonalbank, glaubt zudem, dass Geldmarkthypotheken oder eben Liborhypotheken nicht so vertraut sind wie Festhypotheken. Ein Argument, das Lorenz Heim nicht teilt. «Seit 25 Jahren machen wir nonstop auf Geldmarkthypotheken aufmerksam», sagt der VZ-Mann. Und weist darauf hin, dass Banken unter anderem wegen der so genannten Fristenkongruenz ein grösseres Interesse an Festhypotheken haben.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Sie können bei Festhypotheken das Geld kurzfristig aufnehmen und langfristig anlegen und damit eine höhere Marge erzielen.
Wobei heute die Zinsdifferenz zwischen Fest- und Geldmarkthypotheken im historischen Vergleich weniger stark ausgeprägt ist. Das hängt damit zusammen, dass die Banken ihre Sparguthaben nicht mit einem negativen Zins belasten, obschon sie wegen der Negativzinspolitik der Nationalbank alles Interesse daran hätten. Der Referenzzinssatz für Geldmarkthypotheken liegt zwar im Minus, doch Hypotheken werden mit den Sparguthaben finanziert, die eben nicht negativ sind.
Das Risiko plötzlich höherer Zinssätze dürfte schliesslich ein Hauptgrund sein, weshalb das Gros der Hypotherkarschuldner auf Festhypotheken setzt. Gerade in Zeiten aussergewöhnlich tiefer Zinsen scheint das Risiko einer Zinskorrektur besonders gross zu sein, sollte doch ein aussergewöhnlicher Zustand nicht zu lange dauern, sonst wäre er ja nicht aussergewöhnlich.
Zudem gilt zu bedenken, dass Geldmarkthypotheken zwar günstiger sind, aber im historischen Vergleich sind auch die Zinsen für Festhypotheken extrem tief. Viele Hausbesitzer mögen sich an Zeiten erinnern, in denen man für eine fünfjährige Festhypothek einen Zins von 6 Prozent zahlte. Und wenn man dann eine fünfjährige Festhypothek für ein halbes Prozent haben kann, überlegt man nicht lange, auch wenn Geldmarkthypotheken noch günstiger zu haben wären. Manche sagen sich: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Erschienen im Tages-Anzeiger am 29. Oktober 2021
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