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Josef Dittli strapaziert die Solidarität

Es gibt viele Argumente, die gegen die Annahme der Motion 21.4142 sprechen. Doch mit der angeblichen Benachteiligung von Frauen in der 2. Säule hat der Vorstoss von Josef Dittli nichts zu tun.


Der Urner FDP-Ständerat will nur die Altersguthaben der 1e-Pläne schützen. Das sind Vermögen, deren Anlagestrategie die Versicherten mit Löhnen über 132'300 Franken selber definieren können.


Wechseln Versicherte ausgerechnet in einem schlechten Börsenjahr ihre Stelle zu einem Arbeitgeber, der keine solche 1e-Pläne führt, so müssen die Anlagen mit Verlust verkauft werden, ehe das Geld der neuen Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden kann.


Nun schafft Dittli mit seiner Motion die Möglichkeit, den 1e-Teil der beruflichen Vorsorge für maximal zwei Jahre bei einer Freizügigkeitsstiftung zu lagern. «Wir schützen mit dieser Motion das Geld der Versicherten, das Geld der berufstätigen Bevölkerung, das Geld derjenigen, die das Pech haben, in einer Finanzkrise den Job wechseln zu müssen, weshalb ihr Pensionskassenguthaben stark an Wert verlieren würde», sagt Andri Silberschmidt in der Nationalratsdebatte vom 14. September 2023.


Das Argument der Frau


Was hat das nun mit den Frauen zu tun? «Wir haben in der zweiten Säule oder überhaupt in der Altersvorsorge nicht bei den hohen, sondern bei den tiefen Renten ein Problem», so Katharina Prelicz-Huber. Viele Frauen seien davon betroffen. «Frauen haben im Schnitt gerade einmal eine halb so hohe Pensionskassenrente wie Männer. In diesem Saal wurde x-mal versprochen, dass wir das ändern wollen», klagt die grüne Nationalrätin und Präsidentin des VPOD. Und verweist dann auch noch auf die Reform der 2. Säule. Sie bedeute: mehr einzahlen für am Schluss weniger Rente, also keine Lösung.»


Sind das Argumente, die gegen die Motion Dittli sprechen? Frauen und anderen Teilzeitbeschäftigten geht es nicht besser, wenn die Vermögen der 1e-Plänen bei Stellenwechseln mit Verlust verkauft werden müssen.


Unschöne Bevorteilung


Dabei gibt es durchaus Argumente, die gegen die Motion sprechen, wie die grüne Zürcherin dann auch noch sagt, als ihr kaum mehr jemand zuhört. Sie verweist auf den Grundsatz, dass Arbeitnehmende ihre Pensionskasse nicht selber wählen könnten.


Nur Gutverdienende könnten dank der 1e-Pläne eine höhere Rendite erzielen. Jetzt käme noch eine Bevorteilung dazu, indem das Geld zwei Jahre parkiert werden könnte. «Wenn eine Pensionskasse Verlust macht, müssen das auch alle Arbeitnehmende mittragen», bemerkt Katharina Prelicz-Huber zu Recht.


Präziser sagt es SP-Bundesrat Alain Berset: «Wenn die Versicherten mit 1e-Plänen nicht mehr verpflichtet wären, ihr gesamtes Vermögen zu übertragen, würden wir eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Versicherten schaffen».


Genau für diese Ungleichbehandlung hat sich der Nationalrat in der zurückliegenden Herbstsession mit 100 zu 82 Stimmen ausgesprochen und die Motion Dittli angenommen. Im Ständerat war das Resultat in der Frühjarssession mit 17 Ja- zu 16 Nein-Stimmen noch knapper ausgefallen.


Wie gesagt: 1e-Pläne machen die Renten der schlechter Verdienenden nicht schlechter. Sie strapazieren aber die Solidarität. Und sie liefern den Linken neue Munition, um im kommenden Abstimmungskampf zur BVG-Revision die mangelhafte Solidarität der 2. Säule zu kritisieren.


Bessere Absicherung


Wie in der September-Ausgabe berichtet, will der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin mit der Motion 23.3604 Freizügigkeits- und Säule-3a-Guthaben besser absichern. So soll die Limite der konkursrechtlichen Privilegierung auf nur 100'000 Franken in Artikel 37a Absatz 5 aufgehoben werden. Zudem sollte laut Hegglin die Auszahlung der Vorsorgeguthaben an die Vorsorgeeinrichtungen ausserhalb der Kollokation erfolgen.


Obschon die Motion erst am 1. Juni dieses Jahres eingereicht wurde, ist sie in der Septembersession behandelt und ohne Überraschung mit 37 zu null Stimmen angenommen worden. Und doch erlaubt sich die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger noch ein Störmanöver. Sie plädiert in einem Ordnungsantrag dafür, den Vorstoss der Wirtschaftskommission (WAK) zu überweisen. Es gebe im Nachgang zum CS-Debakel noch viele offenen Fragen, die die WAK in einer «Gesamtauslegeordnung» klären könne.


Aufgrund dieses Votums ruft Alex Kuprecht in der Funktion als WAK-Präsident in Erinnerung, dass es in der WAK nicht an Arbeit mangle. Es gebe über vierzig Vorstösse, die in den nächsten Sitzungen behandelt werden müssten. Es sei nicht nötig, so der Schwyer SVP-Ständerat, diesen Vorstoss der WAK zuzuweisen. Schliesslich werde der Nationalrat auch noch darüber befinden und bei dessen Annahme werde der Bundesrat «die entsprechende Vorlage sehr differenziert anschauen.»


Wohlfahrtsfonds


Der Ständerat befasst sich zudem in der zurückliegenden Session auch mit Wohlfahrtsfonds. Es ist Daniela Schneeberger, die als Präsidentin des Vereins Wohlfahrtsfonds Handlungsbedarf sieht.


Mit der Motion 21.3564 fordert die Baselbieter FDP-Nationalrätin die Gleichbehandlung von rentenbeziehenden Personen bei Härtefallleistungen von Wohlfahrtsfonds. Ungleichbehandelt werden nach ihrer Meinung jene Rentnerinnen und Rentner, die vom Wohlfahrtsfonds Geld bekommen und das AHV-Alter noch nicht erreicht haben und deshalb vom AHV-Freibetrag von jährlich 16'800 Franken nicht profitieren könnten.


Der Nationalrat stimmte der Motion in der Sondersession vom Mai 2023 äusserst knapp mit 80 zu 76 Stimmen bei 27 Enthaltungen zu. «Der Ständerat dürfte das anders sehen», schreibt der Berichterstatter in der Juni-Ausgabe.


Er sollte recht behalten: Genau das tut der Ständerat am 26. September und lehnt die Motion ohne Gegenstimmen ab. Denn mit ihr würden neue Ungleichheiten geschaffen. Profitieren vom Freibetrag würden nur Frührentner, die aus einem Wohlfahrtsfonds Geld erhalten, nicht aber jene, die von der ordentlichen Pensionskasse oder vom Arbeitgeber eine Überbrückungsleistung bekommen.


Konkubinat wie Ehe? noch nicht


Eine Motion wird abgeschrieben, wenn sie nicht innert zwei Jahren nach seiner Einreichung abschliessend behandelt wird. Dies wäre mit der Motion 21.4282 von Greta Gysin geschehen, hätte sie der Nationalrat nicht am zweitletzten Sessionstag noch behandelt. Die grüne Tessinerin will das Konkubinat im Gesetz geregelt haben. Der Bundesrat findet jedoch die gültige Regelung besser, indem jede Pensionskasse im Reglement selber bestimmen kann, wieweit Konkubinatspartner abzusichern sind. Das sieht auch der Nationalrat so - und zwar mit 100 zu 81 Stimmen. Somit ist das Ansinnen zwar nicht abgeschrieben, aber abgelehnt worden. Das ist fast das Gleiche.


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Erschienen in «Schweizer Personalvorsorge» Mitte Oktober 2023


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